Bei dem Gedanken an vorzeigbare Usability fällt einem natürlich sofort das iPhone ein, auch wenn es mit zunehmender Zeit und immer diffizileren Anforderungen an Einfachheit ein wenig eingebüßt hat. Doch sollte jedem Entwickler eines Produkts die Präsentation des ersten iPhone in Erinnerung bleiben. Steve Jobs zeigte die Tastaturen der seinerzeit aktuellen Modelle des Moto Q, des Blackberry, des Palm Treo und des Nokia E62. Das wesentliche Merkmal: Statt dutzende Knöpfe, wie die Konkurrenz, hatte das iPhone genau einen.
Ganz ähnlich funktioniert die Website von Google: Keine Ablenkung, keine überflüssigen Funktionen auf der Startseite, sondern nur ein Eingabefeld. Eine verfeinerte Suche ist im Anschluss möglich, ebenso übersichtlich steuerbar.
Und auch bei haptischen Produkten regiert die Einfachheit. Vor allem bei Bluetooth-Lautsprechern lässt sich erkennen, dass eine gewisse Funktions-Sparsamkeit wichtig ist und allem Anschein nach auch zum Erfolg führt: Die Marke UrbanEars beispielsweise stattet seine neuesten Speaker an der Kopfseite nur noch mit zwei Knöpfen aus (Power und Start/Stopp/Skip in einem) sowie an der Seite mit einem riesigen Minus- und einem ebenso großen Plus-Symbol, mit dem der Besitzer die Lautstärke regelt. Eine Anweisung ist nicht mehr vonnöten. Auch dies übrigens eine wichtige Erkenntnis guter Usability: Setzen Sie auf allgemeines Wissen. Symbole, Funktionen und Designs, die im allgemeinen Unterbewusstsein bereits fest verankert sind, müssen nicht erklärt und können oft als Informations-Abkürzung und zur Simplifizierung genutzt werden.
Welche Eigenschaften zeichnen Produkte mit hervorragender Usability aus?
- Einfache Bedienung
- Treue der Anwender/Kunden
- Minimale Fehlerquellen
- Steigerung der Produktivität und der Arbeitseffizienz
- Je einfacher ein Produkt, desto weniger Schulungen sind nötig
- Das Produkt „erledigt“ einen Teil der Akquise quasi von allein, durch überzeugende Leistung und Mund-zu-Mund-Propaganda
- Alleinstellungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz
Faustregeln
Im Folgenden haben wir noch eine kleine Liste der wichtigsten Faustregeln guter Usability erstellt, die Sie beachten sollten, die aber vor allem einen großen Effekt auf die Performance Ihres Produktes haben werden.
- Informationen: Geht jemand auf Ihre Seite, möchte er in der Regel etwas erfahren oder suchen. Sobald Sie wissen, was Ihre Kernkompetenz ist oder was das Ihnen Wichtige ist, das der Nutzer unbedingt wissen oder kennenlernen muss, sollten Sie dies in den Vordergrund stellen. Und so wenig wie möglich davon ablenken lassen. Weiterführende Informationen dürfen natürlich nicht vernachlässigt werden, aber eine glasklare, den Nutzer unzweifelhaft und schnell in die richtige Richtung lenkende Informationsvermittlung ist enorm wichtig. Im Jahr 2019 ist die Geduld der Besucher Ihrer Seite wahnsinnig schnell ausgereizt. Passen Sie auch auf zu ähnlich klingende Rubriken, Kategorien oder Links auf. Klarheit und die deutliche Trennung von Inhalten sind der Schlüssel zu Erfolg.
Die Lösung: Eine möglichst einfache und übersichtliche Informationsarchitektur und ein aufgeräumtes UI-Design.
- Gewohnheiten: Auch wenn es für Grafiker oder besonders kreative Mitarbeiter eine deprimierende Erkenntnis ist: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und dies gilt in besonderem Maße in Bezug auf die Webseiten, die er besucht. Der Nutzer fühlt sich dann sicher und als Herr oder Frau der Lage, wenn er oder sie das Gefühl hat, das System zu durchschauen und zu kontrollieren. Hierfür sollte aber eine sich einmal als erfolgreich erwiesene Struktur nur verändert werden, wenn es unbedingt sein muss. Auch hier finden wir sowohl ein gutes als auch ein schlechtes Beispiel bei der Firma Apple. Als Jony Ive, Apples Chef-Designer, vor ein paar Jahren die Icons der Apps simplifizierte, machte er es den Nutzern noch einfacher, den Zweck der Apps noch klarer. Vor allem aber blieben Struktur und Wesen der Applikationen bestehen. Ungefähr zur selben Zeit veränderte das Unternehmen seine weithin gemochte Navigation des Programms iTunes, der Aufschrei war groß und der negative Nachhall enorm.
Die Lösung: Die Erwartungen an eine gut funktionierende Seite sollten möglichst lange bestätigt, eine einmal gemochte Struktur beibehalten werden.
- Mobil: Dieser Punkt ist sicherlich einer der am schwersten zu lösenden. Die Inhalte Ihrer Webseite und Ihr Produkt müssen auch auf einem mobilen Gerät gut aufzufinden sein. Das heißt, Sie sollten der mobilen Entsprechung Ihrer Seite mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit schenken wie der Desktop-Version. Die Zahl der mobilen Endgeräte steigt weiterhin stetig an und ebenso die Zahl derer, die auf Smartphone oder Tablet nach Antworten suchen. Muss ein Nutzer zoomen, um etwas zu erkennen, haben Sie meist schon verloren. Im Zweifel müssen Sie bei der mobilen Fassung Ihrer Seite auf diverse Details oder ein paar redundante Dinge verzichten, um das Allerwesentlichste genau so schnell zu transportieren und auffindbar zu machen wie bei der Entsprechung auf dem großen Bildschirm.
Die Lösung: Lassen Sie lieber Schmückwerk wie ausgefeiltes Design weg und vereinfachen Sie so lange, bis auch der Letzte bei Ihrer mobilen Seite schnell zum Ziel kommt.
Der Test
Möchten Sie Ihre Usability auf den Prüfstand stellen, bieten sich der sogenannte Tree Test und das Card Sorting an. Mit diesen Verfahren entwickeln Sie eine logische und verständliche Navigation und testen die sinnvolle Strukturierung Ihrer Seite. Man kann sich das Ganze ein wenig wie einen (hoffentlich möglichst einfachen) Irrgarten vorstellen, durch den Probanden beziehungsweise später Ihre Nutzer und Kunden Ihren Weg zum Ziel finden müssen.
Am Ende der Tests sollten Sie Antworten auf die Fragen nach verständlicher Menübezeichnung, erfüllter Erwartungshaltung der Zielgruppe, möglicherweise fehlendem Fokus und der Häufigkeit der selbsterklärenden Bestandteile Ihrer Site haben.